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Werkzeuge der Konfliktbearbeitung

In familiengeführten KMU werden einzelne Verfahren oder Vorgehensweisen eingesetzt, um Konflikte im externen oder internen Bereich sowie zwischen Gesellschaftern beizulegen. Das breite Spektrum der Konfliktbearbeitung wird in der Praxis jedoch nicht ausgenutzt. Es lässt sich insgesamt ein eher restriktiver Umgang mit Konflikten beobachten. Dies verwundert insofern, als dass die üblichen „Werkzeuge“ der Konfliktbearbeitung auch im familiengeführten KMU ohne größeren Kostenaufwand eingesetzt werden könnten. Zu den üblichen Werkzeugen zählen vor allem die Schlichtung, die Mediation, die Begutachtung und das Konflikt-Coaching.

1. Schlichtung

Sobald zwei streitende Personen in ihrem Konflikt nicht mehr weiterkommen und die Fronten sich verhärten, werden im Unternehmen gerne Dritte hinzugezogen, um entscheidungsfähig zu bleiben und nicht in destruktiven Konflikten zu verharren. Häufig ist es die in der Hierarchie nächst höhere Person, die hinzugezogen wird. Diese lässt sich in der Regel den Sachverhalt schildern und, je nach Führungsstil, entscheidet dann in der Sache oder schlägt zumindest Lösungen vor. In Abgrenzung zu anderen Konfliktbearbeitungsverfahren zeichnet sich die Schlichtung insbesondere dadurch aus, dass ein Dritter (unverbindliche) Entscheidungsvorschläge macht. Der Chef, der verbindliche Entscheidungen trifft, indem er beispielsweise zugunsten des einen Mitarbeiters entscheidet, kann demnach nicht mehr als Schlichter bezeichnet werden. Dennoch hat er die in Deutschland wohl häufigste Konfliktbearbeitung gewählt, die klare Vorzüge hat. Gerade wenn ein Konflikt dazu führt, dass eine Frist nicht mehr eingehalten werden kann, ist die autoritäre Entscheidung ein probates (und natürlich auch ein zunächst sehr günstiges) Werkzeug für den Konfliktumgang. Auf Dauer hat diese Vorgehensweise jedoch auch nachteilige und teure Konsequenzen, z.B. indem ungerechte Entscheidungen zur Demotivation der Belegschaft führen oder fähige Mitarbeiter aus Unzufriedenheit kündigen.

Die Führungskraft sollte demnach auch die Rolle des Schlichtenden einnehmen können, indem sie einen Dialog durch analysierende Fragen und konstruktive Lösungsvorschläge zwischen den streitenden Parteien anregt. Ein Dialog ist meist zeitintensiver als die autoritäre Entscheidung, aber er stellt zumindest sicher, dass der Sachverhalt umfassend beleuchtet und dann einer Entscheidung zugeführt wird. Für die Führungskraft, die einen Führungsstil zwischen den Extremen „autoritär“ und „demokratisch“ pflegt, dürfte die Schlichtung eine probate Fortsetzung ihres sonstigen Führungsansatzes sein.

In familiengeführten KMU könnte die Schlichtung sowohl bei Konflikten zwischen Mitarbeitern als auch zwischen Gesellschaftern eingesetzt werden. Häufig ist ein Beiratsmitglied mit dieser schlichtenden Funktion ausgestattet. In Literatur und Praxis finden sich durchweg positive Rückmeldungen zum Einsatz von schlichtenden Beiratsmitgliedern. Sie sind in der Regel nicht nur fachlich sehr versiert, sondern kennen die Gesellschafter und die Familie schon länger. Installiert man den Beirat zudem gemäß Punkt 3 Governance Kodex für Familienunternehmen (Fassung vom 19. Juni 2010) als eigenständiges, freiwilliges Aufsichtsgremium, kann er dazu beitragen, „die Qualität und Objektivität bei der Beratung und Kontrolle der Unternehmensführung zu sichern.“

2. Mediation

Das Mediationsverfahren ist seit Sommer 2012 gesetzlich geregelt. Bei der Mediation handelt es sich nicht um eine Schlichtung, sondern um ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben (§ 1 Abs. 1 MediationsG). Die Mediatorin trägt anders als der Schlichter keine Inhaltsverantwortung, muss in der Sache also keine Lösungsvorschläge machen, sondern ermuntert die Beteiligten mit speziellen Kommunikationstechniken zur Entwicklung eigener Lösungsansätze. Diese Vorgehensweise bringt den Vorteil mit sich, dass die Beteiligten sich an die selbst entwickelten länger gebunden fühlen.

Vom zeitlichen und finanziellen Aufwand ist die Mediation mit der Schlichtung allerdings vergleichbar. Nicht immer kann die Führungskraft die Rolle des Mediators übernehmen. Gemäß § 1 Abs. 2 MediationsG muss er eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis sein. Daher bietet es sich im Unternehmen und bei Konflikten zwischen Mitarbeitern an, entweder einen betriebsinternen qualifizierten Mediator mit eben diesen Eigenschaften zu bestimmen, oder die Leistung extern einzukaufen. Externe Mediatoren sind in der Regel neutral(er), da sie die Beteiligten und den Sachverhalt als außenstehende Dritte betrachten können. Eventuell fehlt ihnen aber auch der nötige Einblick in das Unternehmen, um eine wirklich nachhaltige Lösung mit den Beteiligten zu entwickeln.

Für familiengeführte KMU gilt die Mediation als besonders geeignet. Bei Gesellschafterkonflikten können im Mediationsverfahren nicht nur die betriebswirtschaftlichen und ggf. rechtlichen Anteile berücksichtigt werden, sondern auch psycho-soziale Aspekte, die gerade bei langjährigen Familienkonflikten eine große Rolle spielen können. Die Konfliktdynamik in familiengeführten Unternehmen ist sehr spezifisch und herausfordernd. Im Vergleich mit anderen Konfliktbearbeitungsverfahren bietet die Mediation den großen Vorteil, dass es sich um ein kontrollierbares und vertrauliches Verfahren handelt, welches so genannte Win-Win-Lösungen anstrebt. Es werden keine Kompromisse geschlossen, sondern ein Konsens gesucht, der die Interessen von allen beteiligten Gesellschaftern und Familienmitgliedern berücksichtigt.

3. (Schieds-)gutachten

Anders als in der Mediation wird im gutachterlichen Verfahren ein Inhaltsexperte hinzugezogen, der ein entscheidendes Element des Rechtsstreits für die Parteien und eventuell für das (Schieds-)Gericht bindend feststellt. Im Grunde ist das (Schieds-)Gutachten eine Steigerung der Schlichtung. Während der Schlichter noch unverbindliche Lösungsvorschläge formulieren kann, findet sich im Gutachter-Verfahren eine endgültige Entscheidung über einen meist betriebswirtschaftlichen Sachverhalt. In Abgrenzung zum eigentlichen Schiedsverfahren ist allerdings wichtig, dass nur ein Element der Entscheidung und nicht der komplette Sachverhalt vom Gutachter entschieden wird .

Im konkreten Unternehmensalltag ist das (Schieds-)gutachten besonders bei Konflikten zwischen Unternehmen relevant. Zwischen Mitarbeitern kann es gelegentlich auch angezeigt sein, eine Feststellung von Tatsachen vornehmen zu lassen (z.B. die Klärung eines Ursachenzusammenhangs zwischen schädigendem Ereignis und Schaden). Dennoch findet es eher bei Vorgängen zwischen zwei Unternehmen Anwendung. Typische Fälle sind die Ermittlung des Wertes von Gesellschaftsvermögen zum Zwecke der Auseinandersetzung oder des Wertes eines Unternehmens.

In familiengeführten KMU könnten die letztgenannten Fälle allerdings auch zwischen Gesellschaftern relevant werden. Möchte ein Gesellschafter ausscheiden, müssen sich die Beteiligten über den Wert des Unternehmens einigen, um ein faires Verfahren zu garantieren. Hier schlägt der Governance Kodex für Familienunternehmen präventive Maßnahmen vor (Punkt 6.1 GKFU), indem eindeutige Regeln für das Ausscheiden aus dem Inhaberkreis empfohlen werden.  Darüber hinaus kann hinsichtlich der Gefahren von Erbstreitigkeiten auch ein letztwilliges Schiedsverfahren relevant werden. Dazu sollte eine Schiedsklausel vom Erblasser installiert werden, die im Erbfall ein Schiedsverfahren vorsieht. Das nicht öffentlich geführte Schiedsverfahren dient in solchen Erbfällen dem besonders ausgeprägten Interesse der Beteiligten an größtmöglicher Vertraulichkeit.

4. Konflikt-Coaching

Der professionelle Umgang mit Konflikten ist häufig ein zentrales Thema in der Coaching-Praxis. Das Konflikt-Coaching unterstützt einzelne Personen sowohl hinsichtlich der Konfliktprophylaxe („Wie können destruktive Konflikte verhindert werden?“), der Konfliktbewältigung ( „Wie können für die Funktionsfähigkeit z.B. eines Unternehmens oder eines Teams negative Konflikte beseitigt oder gemildert werden?“) als auch der Konfliktstimulation ( „Wie können konstruktive Konflikte geweckt werden?“) . Das Konflikt-Coaching richtet sich dabei vorwiegend an Personen mit Führungsverantwortung und/oder Managementaufgaben und findet im Berufskontext und damit häufig auch unter Berücksichtigung von Organisationen statt.

Die Führungskraft kann demnach Rat bei einem Konflikt-Coach suchen, der nicht als Vermittler zur Konfliktbewältigung eingesetzt wird, sondern die Führungskraft in ihren typischen Führungsaufgaben mit Reflektion und Rat stärkt.

Coaching wird als ein bewährtes Verfahren für verstrickte Situationen in familiengeführten KMU empfohlen. Es kann sich an die Familienunternehmer, an ihre Nachfolger und/oder an angestellte Manager richten. Das Konflikt-Coaching dient unter anderem der Rekonstruktion des meist komplexen Konfliktsachverhalts und es unterstützt den Einzelnen oder eine Gruppe bei der Konfliktbewältigung oder Konfliktprophylaxe. Als präventive Maßnahme kann beispielsweise die Selbstbewertung des Familienunternehmers und die anschließende Vergleichsbetrachtung mit anderen Familienunternehmensmitgliedern empfohlen sowie die Auseinandersetzungen über Nachfolgegfragen vorgeschlagen werden.

Zusammenfassend lässt sich nach dieser kurzen Übersicht von Konfliktbearbeitungsverfahren für familiengeführte KMU feststellen, dass die Verfahren unterschiedlich sinnvoll eingesetzt werden. Da es sich ohnehin nur um einen Auszug von Verfahren aus dem breiten Spektrum der Konfliktbearbeitung handelt, wird empfohlen, eine ausgiebige Analyse der jeweiligen Konflikte der familiengeführten KMUs durchzuführen, um eine ideale Passung zwischen Konflikt und Verfahren sicherzustellen.

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