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Neuvians & Co.

Wann beginnt ein Konflikt ein Konflikt zu sein?

Gesellschafter eines Familienunternehmens haben ein großes Interesse daran, Familienkonflikte zu vermeiden bzw. einen lösungsorientierten Umgang zu finden. Zahlreiche Praxisbeispiele veranschaulichen die zerstörerische Natur von Konflikten speziell in Familienunternehmen. Doch wie können Gesellschafter den Konflikt und seine besondere Natur erkennen und von herkömmlichen Familienkonflikten unterscheiden?

Wann beginnt ein Konflikt ein Konflikt zu sein?

Diese Frage ist sowohl in praktischer als auch theoretischer Hinsicht von Bedeutung. Konflikte werden von unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen erforscht und entsprechend ihrer Beobachtungsrichtung abweichend voneinander definiert. Die Juristen stellen beispielsweise den Dissens gemäß §§154,155 BGB fest, sobald es an einer Übereinstimmung von Willenserklärungen fehlt. Eine psychologische Definition bezeichnet den Konflikt hingegen als einen Zustand, der dann auftritt, wenn zwei einander entgegengerichtete Handlungstendenzen oder Antriebe (Motivationen) zusammen auftreten und sich als Alternativen in Bezug auf ein Ziel möglichen Handelns im Erleben des Betroffen äußern. Dieses Erleben führt zu Spannungen emotionaler Art, die oft als unangenehm empfunden werden (Fröhlich/Drever 1981). Eine pluridisziplinäre Betrachtung von Konfliktdefinitionen würde zahlreiche weitere Varianten hervorbringen (Neuvians 2011). Bereits im Jahr 1957 kamen die US-amerikanischen Wissenschaftler Ramond Mack und Richard Snyder zu dem Schluss, dass der Konfliktbegriff mit einem Gummi vergleichbar sei, welches je nach wissenschaftlichem Blickwinkel dehnbar ist (Mack/Snyder 1957).

Für die praktische Konfliktbearbeitung nach Neuvians & Co. wird vom Vorhandensein eines Konfliktes ausgegangen, sobald eine fortdauernde Negation der Negation vorliegt (Neuvians 2011, Simon 2012). Damit ist gemeint, dass ein einfacher Widerspruch nicht ausreicht, um von einem Konflikt zu sprechen. Sollte das Familienoberhaupt einem potentiellen Nachfolger mitteilen, dass es zeitnah seinen Unternehmenseintritt erwarte und dieser aber mit „Nein“ antworten, liegt nach dieser Definition noch kein Konflikt vor. Er beginnt erst mit der Negation des Widerspruchs und muss fortgesetzt werden, indem das Familienoberhaupt an das „Nein“ anknüpft, beispielsweise mit der Aussage „Wie … Nein? Natürlich kommst Du ins Unternehmen!“. Somit bedarf es kommunizierter Widersprüche, um von einem Konflikt sprechen zu können. Sie stellen eine besondere Form eines sich selbst organisierenden Sozialsystems dar (Bonacker, 2008; Neuvians 2011; Simon 2012). Für ein effektives Konfliktmanagement in Familienunternehmen geht es folglich darum, die besondere Dynamik dieses Sozialsystems zu verstehen und entsprechend danach zu handeln.

Dabei sind auch verschiedene Eskalationsstufen für die adäquate Wahl eines Konfliktbearbeitungsverfahrens zu berücksichtigen. Die Mediation ist beispielsweise nur für mittelstark eskalierte Konflikte geeignet. Entscheidend ist dabei die Wahrnehmung des Konflikts durch die Beteiligten: Liegt überhaupt ein Konflikt vor? Oder handelt es sich nur um eine familientypische Diskussion, die schnell vergessen ist? Die eingehende Analyse des Konflikts ist demnach im Konfliktbearbeitungsansatz nach Neuvians & Co. von besonderer Bedeutung. Die konkrete Arbeitsweise wird in nachfolgenden Fallbeschreibungen (Teil 1-3) veranschaulicht.

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